Wie Alles Begann: Die Geschichte der LISA

Mag. Karl Mühlstein, damals und heute

Mag. Karl Mühlstein – Koordinator der LISA von Anbeginn bis 2012

Im Herbst 1991 richtete der Landesschulrat eine Einladung an unsere Schule das damalige BRG Aubrunnerweg, einen englischsprachigen Schulzweig aufzubauen. Wir waren bekannt als innovativ mit einem engagierten Lehrkörper. Diese Neuerung bedeutete eine besondere Herausforderung für uns. Direktor Hötzenecker war die maßgebliche Kraft bei der Einführung der LISA. Deren Name wurde in einem Gespräch zwischen ihm und mir fixiert. Es kam zu einer „Fact-finding Mission“ zur GIBS (Graz International Bilingual School). Dort gab es schon einen‚ englischsprachigen Zweig im ersten Jahr (5. Schulstufe). Ich fuhr nach Graz mit Mag. Jachs zu einem produktiven Gedankenaustausch. Am Nachhauseweg im Zug diskutierten wir bereits die Grundzüge eines für eine öffentliche Schule gänzlich neuen Schulzweigs. „Was hat uns gefallen? Was wollen wir anders machen?“ Die grundsätzlichen Pläne und Visionen diskutierten wir mit allen Lehrern der Schule ausführlich. Das abschließende Votum fiel positiv aus. Wir eröffneten im Schuljahr 1992/93 die erste LISA Klasse, deren Klassenvorstand ich wurde. Viele der damaligen Unterrichtsprinzipien haben heute in der LISA noch ihre Gültigkeit.

• Verwendung von Englisch als Unterrichtssprache in allen Gegenständen unter Berücksichtigung der Eingangsphase in der ersten Klasse
• Native Speakers als authentische Sprachenvermittler
• Einsatz fremdsprachiger Medien
• Drama als verpflichtende Übung in allen Klassen
• Austauschprogramme mit dem Ausland
• Aufnahme internationaler Schüler, sofern sie der Unterrichtssprache Englisch folgen können
• Ausrichtung auf die österreichische Matura und das Internationale Baccalaureat

In den ersten Jahren betraten wir Lehrer absolutes Neuland. Es gab keinerlei Erfahrungen mit englischsprachigem Unterricht in allen Fächern des österreichischen Lehrplans. Die meisten Unterrichtsmaterialien wurden von uns selbst erstellt. Österreichische Lehrbücher waren keine Hilfe, englische Lehrbücher entsprachen nicht dem österreichischen Lehrplan. Sie hatten auch ein zu hohes sprachliches Niveau, dem die vielen deutschsprechenden Schüler der ersten zwei Jahrgänge kaum folgen konnten. In vielen Zusammenkünften und Konferenzen berieten sich die Lehrer und tauschten ihre Erfahrungen aus. Diese regelmäßigen Besprechungen des Lehrerteams bilden bis heute die Grundlage der pädagogischen Entwicklung.

Von Anfang an gab es eine starke Einbindung der Elternschaft. Der LISA Unterstützungsverein wurde gegründet mit der Intention, die LISA ideell und materiell zu unterstützen. Unsere Treffen und die daraus resultierenden zukunftsorientierten Entscheidungen trugen wesentlich zur Entwicklungder LISA bei. Bereits im dritten Jahr übernahm DI Karl Prummer den Vorsitz. Gemeinsam mit Direktor Hötzenecker trieb er den Bau des „LISA Flügels“ voran, der auch heute noch soetwas wie die „Heimat“ der LISA ist.

Im zweiten LISA Jahr fand zum ersten Mal eine Projektwoche mit Andrew Wright, einem bekanntenbritischen Autor, Illustrator und Sprachpädagogen statt. Mag. Markus Radhuber, Mag. Susanne Weiss und ich betreuten gemeinsam mit zwei Sprachassistentinnen die Projektwoche in Spital/Pyhrn. Von Anfang an war Andrew begeistert von unseren Schülern. Zitat Andrew, “The week with LISA has always been the highlight of the year”. Viele Berichte, Zeichnungen und Filmebezeugen den kreativen Geist, der in diesen Wochen entwickelt wurde.

In den Anfangsjahren richtete sich unser Fokus auf Englisch als Unterrichtssprache. Das war ziemliches Neuland in der österreichischen Bildungslandschaft. LISA Lehrer wurden oft zu Fortbildungen in andere Bundesländer eingeladen. Bei Workshops in Wien, Innsbruck, Klagenfurt, und Strobl/Wolfgangsee gaben LISA Lehrer ihre Erfahrungen an andere interessierte Kollegen aus allen Teilen Österreichs weiter. Unsere Schule wurde in ganz Österreich bekannt. Das führte auch dazu, dass die LISA zweimal den österreichweiten ESIS Preis für Schulinnovation erhielt.

Unsere Philosophie der ersten Stunde war: Englisch als Unterrichtssprache muss begleitet sein von verbindlichen Übungen wie Drama. Im dritten Jahr nahm Beverly Flower-Hofer, bekannt durch ihre Präsenz am Linzer Landestheater, den Dramaunterricht in ihre Hände. Es wurde eine Erfolgsgeschichte der besonderen Art. „Our Town“ von Thornton Wilder war eine der ersten Aufführungen, die vom Publikum begeistert aufgenommen wurde. Es folgten so viele, dass deren Erwähnungden Rahmen des Berichts sprengen würde. Besondere Emotionen löste die Aufführungvon „The Crucible“ (Arthur Miller) aus, die allen Linzer Schulen zugänglich gemacht wurde. Uns ist auch noch die Präsentation des Musicals KIT in bester Erinnerung, das John Spencer schrieb, ein damaliges Mitglied unseres Lehrkörpers. Alle Elemente des Musicals (Darstellung, Gesang, Tanz, Orchester) wurden von LISA Schülern übernommen.

Zur LISA Tradition gehört auch das Sommerfest. Die Farewell Party am Ende des Schuljahrs bringt noch einmal Schüler, Eltern und Lehrer zusammen und bietet eine gute Gelegenheit für Musik und lustige Wettbewerbe. Klassiker waren immer das Fußballspiel Lehrer/Eltern gegen Schüler und die Auftritte der verschiedenen LISA Bands. Viele Sommerfeste sind in unserer Erinnerung. Nach dem 4. LISA Jahr feierten wir zum Beispiel in Lichtenberg. Höhepunkt war ein Heißluftballon, mit dem wir in die Luft schwebten, um die Welt von oben zu betrachten. Zum Abschluss wanderten viele mit Fackeln und Taschenlampen nach Linz hinunter. Ein unvergessliches Erlebnis.

Die ersten vier Jahre hatten wir erfolgreich geschafft. Nun musste die Oberstufe angegangen werden. Das Ziel war, neben der österreichischen Matura, ein internationaler Abschluss. In Frage kam für uns nur die renommierteste Prüfung, das Internationale Baccalaureate, kurz IB genannt. Zur Vorbereitung studierten wir die IB Lehrpläne der einzelnen Unterrichtsgegenstände und überprüften sie auf ihre Kompatibilität mit den österreichischen. Eine Gruppe von Lehrern aus allen Fachbereichen nahm an einem einwöchigen IB-Seminar in Budapest teil – zum ersten Mal zusammen mit Lehrern aus unterschiedlichen Ländern und Bildungssystemen. Es war ein großes Erlebnis für uns. Wir kamen begeistert und motiviert nach Hause mit einer Vielzahl von Ideen und mit dem festen Willen, das IB Diploma an der LISA zu implementieren.

Es folgten viele Konferenzen und Besprechungen – in der Lehrerschaft, mit den Eltern und der Schulbehörde, dazu Eingaben und Pläne an das Ministerium. Intensive Arbeit für Direktor Hötzenecker, die Lehrer der zukünftigen IB Unterrichtsfächer und für mich als LISA und IB Koordinator. Die traditionelle Leistungsbeurteilung musste ergänzt werden durch das Einbeziehen praktischer Arbeiten, die während der IB Jahre durchzuführen waren. Dazu kam letztlich auch die Vorbereitung auf eine externe Abschlussprüfung, die zum ersten Mal im Jahr 2000 stattfinden sollte, viele Jahre vor Einführung der zentralen Reifeprüfung. Als unsere Vorbereitungen schon sehr weit gediehen waren, erhielten wir den vorgeschriebenen offiziellen Schulbesuch mit der abschließenden Beurteilung durch die IB Gremien. Der Generaldirektor aller IB Schulen der Gruppe Europa/Afrika/Mittlerer Osten kam persönlich, inspizierte die Schule, sprach mit allen Fachgruppen, Vertretern der Eltern und der Schulbehörde. Das Ergebnis erfuhren wir einige Wochen später: LISA wurde Mitgliedder IB Organisation – eine IB World School. [Anm. 1997]

Um das Tor zur Welt weiter zu öffnen, organisierten wir den ersten internationalen Austausch mit einer Schule aus Chapel Hill (North Carolina). Die Studenten aus Amerika waren alle Musiker und hatten ihre Instrumente mitgenommen. Im Volkshaus Magdalena fand ein denkwürdiges Konzert statt. Ein Konzert der anderen Art wurde im Turnsaal der Schule gegeben. Durch Vermittlung von LISA Eltern hatten wir Oliver Mtukudzi zu Gast, einen der renommiertesten Künstler aus Zimbabwe. Nach anfänglichem diszipliniertem Zuhören tanzte und swingte der ganze Turnsaal. Ein großartiges Erlebnis für das ganze Europagymnasium.

Andere Kulturen kennenzulernen, sich mit ihnen auszutauschen und Gemeinsames zu erleben war auch die Zielsetzung von FACES, einer mittlerweile etablierten LISA Veranstaltung. Mit über 500 begeisterten Besuchern stellt dieses Fest ein Abbild des LISA Spirits dar. Begeisterte junge Menschen mit offenen Köpfen und Herzen, betreut von engagierten Lehrern, feierndie kulturelle Vielfalt, die an der Schule und in den LISA Familien praktiziert wird. Besonders bemerkenswert ist die Zusammenarbeit zwischen den Schülern der einzelnen Klassen und Jahrgängen. Bei solchen „Events“ wird der LISA Spirit aktiv gelebt.

Neben den kulturellen Highlights wurde immer intensiv akademisch gearbeitet. Die Vorbereitungen für die Abschlussprüfungen liefen auf Hochtouren. Neben den einzelnen schriftlichen und mündlichen Prüfungen mussten die Kandidaten praktische Arbeiten durchführen und dokumentieren – Laborberichte abgeben, Experimente aufzeichnen, literarische und historische Essaysverfassen, komplizierte Rechengänge analysieren, ökonomische Fallstudien betreiben, geographischeMessungen graphisch darstellen, um nur einige Aufgabengebiete zu erwähnen. In den sprachlichen Gegenständen wurden Interviews aufgezeichnet. In Visual Arts musste eine Ausstellung der künstlerischen Arbeiten vorbereitet werden, in Theatre Arts eine Theateraufführung. Nachdem alle Vorarbeiten gewissenhaft erledigt, beurteilt und die Samples eingeschickt waren, fanden Anfang Mai 2000 die ersten internationalen schriftlichen Prüfungen statt.

Der große Gemeinschaftsraum im dritten Stock war der Schauplatz. Alles war exakt vorbereitet: Die Abstände zwischen den Schülertischen vorschriftsmäßig, die vorgeschriebenen Prüfungsmaterialien auf den Tischen, die vorgegebene Lehreraufsicht eingeteilt. Die verschlossenen Prüfungsfragen konnten aus dem Safe geholt werden.
Dann schwitzten unsere Kandidaten. Der Grundtenor: „Die Aufgabenstellungen waren sehr schwierig.“ Nach drei Wochen Prüfungsstress ging das große Warten los. Erst am 5. Juli kamen die Ergebnisse. Kandidaten und Lehrer starrten gemeinsam auf den Bildschirm. Dann gab es einen Aufschrei der Freude im LISA Raum. Die Resultate waren überdurchschnittlich gut. Die LISA hattedie Feuerprobe bestanden. Wir hatten unser Ziel erreicht.